Wenn ich irgendetwas in der MHH gelernt habe, dann das: Die Vorstellungen vom Leben, von Liebe, von Gott, von Sterben und Tod sind so unterschiedlich wie wir Menschen. In jedem Herzen wohnen so unterschiedliche Gefühle und Erinnerungen, in jedem Hirn so vielfältige Gedanken und Geschichten, jeder Körper ist unverwechselbar.
Voller Demut begleiten wir Seelsorger*innen Menschen in dieser Klinik auf deren Weg: in der Unsicherheit einer Verdachts-Diagnose, in einer Krise, beim Warten, beim Sterben und Trauern. Wir begleiten die Menschen, damit sie ihre eigenen Ressourcen für die jetzige Situation abrufen können.
Manchmal helfen Fragen, die eigenen Ressourcen zu entdecken: Wie spüren Sie jetzt das Leben? Wie und mit wem spüren Sie Liebe? Spüren Sie „Gott“, „die Liebe“ oder Engel?
Die Antworten sind meist uneindeutig.
„Einerseits bin ich sicher, dass ich das hier schaffe mit dieser Diagnose – andererseits bin ich unsicher, ob meine Kraft reicht.“
„Mein Partner ist stark, ich bin so unendlich dankbar, dass er sich so um mich kümmert und fast jeden Tag zu Besuch kommt – und zugleich mache ich mir Sorgen um ihn und seine Gesundheit.“
„Ich will ja glauben, dass der ganze Mist, der mir hier passiert, einen Sinn hat – aber ich kann und will nicht glauben, dass dieser ganze Mist hier tatsächlich einen Sinn hat.“
Eine mutige Wahrnehmung dieser Spannungen macht frei, den nächsten Schritt zu gehen. Nur ohne Vertröstungen („Wart erstmal ab!“), ohne Verschleierungen („Alles wird gut!“) und ohne Floskeln wie „Das wird schon wieder!“ wird der nächste Atemzug mir wirklich den Atem einbringen, der mich stärkt.
Die biblische Jahreslosung lädt uns ein, die Ambivalenzen ernst zu nehmen und zu befragen, welche Kraft, welchen Trost und welche Liebe sie bergen. Dass wir das spüren hier im Krankenhaus, das wünsche ich uns.